Leonie Fürst – Leben und Wirken in der NS-Zeit und in Ailingen

Leonie Fürst – Leben und Wirken in der NS-Zeit und in Ailingen

Joachim Frick |

Es musste nachgestuhlt werden am 11.11.2025, in der Aula der Schule Ailingen. Zahlreich interessiertes Publikum strömte zum Vortrag von Kathrin Bauer über Leonie Fürst.
Kathrin Bauer, Mitarbeiterin der Gedenkstätte Grafeneck, referierte über Leonie Fürst – ihr Leben und Wirken in der NS-Zeit und in Ailingen. Frau Bauer hat das Leben der Ärztin erforscht und unter dem Titel: „Oh, ich hasse es, dieses Pack“ ihre Biografie veröffentlicht.

Leonie Fürst wird 1912 in Tuttlingen geboren. Sie studierte 1938 Medizin und tritt 1940 ihren ersten Dienst in der Heil- und Pflegeanstalt Stetten an. Was sie nicht ahnt: In den kommenden Monaten erlebt und erleidet sie eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte. Innerhalb weniger Monate werden aus Stetten 394 Menschen deportiert und in Grafeneck ermordet – einem Ort, der zum Synonym für den staatlich organisierten Mord an Menschen mit geistigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen wird. Es sind Monate voller Konflikte, versuchter Interventionen zur Rettung dieser Menschen, aber auch der Kooperation und des Geschehenlassens. Immer wieder stößt die junge Ärztin dabei an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und ihres eigenen Berufsverständnisses. „Oh, ich hasse es, dieses Pack“.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lässt sich Leonie Fürst 1948 in Ailingen am Bodensee nieder. „Ich hatte keine Ahnung wo Ailingen lag. Vom Bahnhof Friedrichshafen wanderte ich auf der von Bombenlöcher kaputten Straße nach Norden zu meinem Ziel. Begrüßt wurde ich vom Bürgermeister mit den Worten: „Wir brauchen keinen Arzt hier, erst recht keine Ärztin!“

Wie unrecht er hatte zeigte sich bald. Trotz Widerstände baute sie eine Landarztpraxis im Nebenzimmer der „Traube“ auf und 1954 ein Geburtshaus in der Ittenhauser Strasse, zusammen mit der Hebamme Frau Hilde Müller, damals noch Kemmler. In diesem Haus ermöglicht sie es den Müttern, dass sie mit ihren Kindern zusammenbleiben können -Rooming in- eine Praxis, die ihrer Zeit weit voraus war. Fast 600 Kinder kamen im Pflegenest zur Welt. Für dieses Engagement wird sie 1987 mit dem Bundesverdienstkreuz am Band ausgezeichnet.

„Dass ich das Bundesverdienstkreuz bekam, hat mich sehr verblüfft, denn ich war mir nicht bewußt etwas besonderes getan zu haben.“ Leonie Fürst starb 1996 und 2001 wurde eine Straße in Ailingen nach ihr benannt.