Jüdische Frauen im Internierungslager Liebenau
Jüdische Frauen im Internierungslager Liebenau
Joachim Frick |
Internierungslager Liebenau während der NS-Zeit
Es war eine im Internet ersteigerte Postkarte mit Absender vom Internierungslager Liebenau, die Martin Kohlers Interesse erweckte und er daraufhin mit Nachforschungen begann. Im Archiv der Stiftung Liebenau stieß er auf Nachweise über die Internierung von ausländischen Frauen mit jüdischer Abstammung und paraguayischen Pässen.
Im Schloss Liebenau war zur Zeit des Nationalsozialismus seit 1940 ein Arbeitserziehungs- oder Internierungslager eingerichtet und dieses während des Zweiten Weltkrieges bis 1945 betrieben. Davor war die Stiftung Liebenau dort untergebracht. Diese von den Reute-Ordensschwestern geführte Pflege- und Heilanstalt diente „Menschen, die aufgrund eines geistigen oder körperlichen Gebrechens besonderer Pflege bedurften“.
Ab Juli 1940 wurde ein Teil der Pflegebedürftigen im Rahmen des NS-Euthanasieprogramms in die Tötungsanstalten Grafeneck und Hadamar verlegt, in denen schätzungsweise 510 von ihnen ermordet wurden. Liebenau wurde anschließend teilweise zur Internierung von aus sogenannten „Feindländern“ verschleppten Frauen genutzt, teils britische, französische, amerikanische und Lateinamerika stammenden Staatsangehörige. Auch Juden mit solchen Staatsangehörigkeiten wurden nicht in Vernichtungslager deportiert, sondern als „Austauschjuden“ interniert, um sie gegen im Ausland festgehaltene Deutsche auszutauschen. Nachdem die Weltgemeinschaft nicht bereit war, Juden in größerer Anzahl aufzunehmen, besorgten jüdische Hilfsorganisationen Pässe von anderen Ländern. Vor allem der Konsul von Paraguay war bereit, gegen Geld Passdokumente auszustellen. Martin Kohler versuchte die Einzelschicksale von internierten Frauen zu recherchieren und konnte nachweisen, dass es einigen davon gelang, mit solchen illegalen Pässen die Judenverfolgung des Naziregimes zu überleben. Zum Schluss schilderte er das Schicksal von Rutka Laskier, die, wie Anne Frank, ein Tagebuch geschrieben hat, das ca. 60 Jahre nach ihrem Tod veröffentlicht wurde. Da sie damals keine rettenden Passdokumente erhielt, wurden Rutka Laskier, ihr kleiner Bruder und ihre Mutter in Auschwitz ermordet. Es war eine bewegende und aufwühlende Geschichte, die weitgehend unbekannt ist und sehr nachdenklich machte. Vorstand Bernd Fuchs bedankte sich herzlich bei Martin Kohler für seinen Vortrag und seine Bemühungen, dass diese Ereignisse im heutigen Kontext nicht in Vergessenheit geraten.