Als der letzte König nach Köstenbach kam
Als der letzte König nach Köstenbach kam
Joachim Frick □
„Als der letzte König nach Köstenbach kam“
Aufgeschrieben und vorgetragen von Richard Knoblauch Berg, aus der Nacherzählung seiner 90jährigen Tante Rosa Jung
Vor einigen Wochen kamen zwei Herren und suchten das Heimatanwesen ihrer Großeltern in Köstenbach. Auf einer Postkarte gemalt, schilderten sie es mir, wie es ausgesehen haben muss. Sie stellten sich als „von Rom“ vor. Darauf die prompte Antwort meiner Tante an den heute 81jährigen: „dann sind Sie ein Sohn von Edgar, Oskar oder Ritz“. Das waren die drei Söhne vom letzten Baron von Rom in Köstenbach, die hier Ende des letzten Jahrhunderts geboren wurden.
Baron v. Rom war hier von 1860 bis 1907/8 Besitzer auf dem heutigen Schuppschen Hof. Das heutige Gebäude war damals noch zehn Meter länger und ein großer wilder Park drumherum. Der Hof hatte ein eigenes Jagdrecht und umfasste ca. 60 Morgen. Bis 1890 Vieh- und eine Pferdezucht und 2-3 Stallungen.
Ab 1890 pflanzte man Obstbäume mit Weiden als Zwischennutzung. Unterhalb des damaligen Arrests stand extra ein Bandschälschuppen, der seit 1945 weg ist. Vor dem Verkauf war der Betrieb viehlos. Die Obstbäume, von denen heute noch einige stehen, wurden von Saisonarbeitern von Polen geerntet, getrennt in Tafeläpfel und Mostäpfel. Zwei Söhne des Barons wurden Offiziere, einer wurde Kunstmaler. Sohn Edgar, Mayor, zuvor Flügeladjudant* war ständiger Begleiter des letzten Königs von Württemberg, Wilhelm II. bis 1918, bis dieser auf den entthronten Ruhesitz nach Altshausen kam.
Doch nun zum König: Er kam gerne von seinem Schloss aus Hofen hier aufs Land. Die Großmutter meines Besuches, eine Hugenottin, war eine Pianistin und in Paris geboren, das hatte den König angezogen. Ein anderes Mal kam er mit seinen getreuen Lakaien in der Kutsche in gemächlichem Trab. Für die Köstenbacher immer ein nicht gewöhnlicher Tag, so erzählten meine Tante und meine Mutter.
Nach der Ernte ritt im Damensattel auch Königin Olga mit Begleitung über die Stoppelfelder. Einmal verlor sie ihre Reitermütze. Mein Großvater hob sie auf und mit einem Knicks gab er sie zurück. Königin Olga lobte die schöne Aussicht vom Berger Kirchlein. Sie spendete dafür die letzten drei Aussichtsbänke vor der Kirche, die heute noch dastehen.
Der Verkauf des Hofes dauerte mehrere Jahre. Der Besitzer kaufte in Friedrichshafen das Haus Schlossmühle, Ecke Olga/Werastrasse (steht heute nicht mehr), neben Königs Sommerresidenz. Weil sich niemand fand, der das ganze Köstenbacher Anwesen kaufen konnte, verkauften es damals die Juden als Makler stückweise. Stücke davon kauften Riether, Dillmann, Huber, Lohr, Hügle und Knoblauch in Jettenhausen. Die heutige Siedlung Egelsee und Diözösan steht auf Barons Hofgrund. 1911 erwarb B. Schupp aus Lindenholz das restliche Anwesen. Als gelernter Pomologe veredelte er die meisten Obstbäume mit den Sorten Calwil** und Bohnapfel, die viele Jahre gute Ernte brachten. Unsere Besucher Dr. Horst von Rom, Botschafter i.R. 81 Jahre, Schloß Grünenfurt*** bei Memmingen und sein Sohn Dr. Alexander, 49 Jahre, im Auswärtigen Amt in Bonn, gaben eine erlebnisreiche Auskunft und bestätigten unser Wissen.
* Flügeladjudant ist der Sekretär oder persönliche Assistent einer hochgestellten Person, meist eines hohen Militärs oder des Staatsoberhaupts eines Landes. (Wiki)
**Als Calville oder Kalvill wird eine Reihe von feinschmeckenden, oft süßen Apfelsorten bezeichnet, die im 19. Jahrhundert zu den edelsten und beliebtesten Tafeläpfeln zählten. (Wiki)
***Das unter Denkmalschutz stehende Schloss Grünenfurt ist ein 1737 bis 1738 erbautes Landschloss im Stadtteil Grünenfurt der oberschwäbischen Stadt Memmingen. Umrahmt von einem englischen Landschaftsgarten, geht die heutige Anlage auf einen Vorgänger aus der Zeit der Renaissance zurück. Im 18. Jahrhundert teilweise niedergelegt und im Stil des Spätbarocks neu errichtet, befindet es sich heute in Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden. Derzeitiger Bewohner ist der deutsche Botschafter außer Dienst Alexander von Rom. Bis 1823 war Johann Jakob Unold Eigentümer, danach erwarb Melchior von Stoll das Schloss. Es wird gegenwärtig noch von den Nachkommen, die wegen Einheirat von Rom heißen, bewohnt. (Wiki)